Betrachtungen aus dem Untergrund - Thomas Elsen

(engl. see down) 

 

‚Eigentlich bin ich Maler, ich bin kein Fotograf’, sagt Michael H. Rohde. Dieser Satz war schon an anderer Stelle zu lesen. Doch Rohde, das spürt man sofort, spricht ihn ohne jede Routine aus, unaufgeregt und aus klarer Überzeugung. In seiner Berliner Atelierwohnung, in der er vor kurzem auch den Kunstverein Wedding gründete, zeigt er mir gerade jüngste Fotoarbeiten. Darunter ‚Ophelia’, ein monumentales Triptychon, das eine junge Frau abbildet, die soeben im Begriff zu sein scheint, samt der Toilettenschüssel, auf der sie sitzt, gen Himmel zu fahren. Trotz des entspannten Ausdrucks der Porträtierten wähnen wir sie (noch) nicht im Zustand wirklicher Schwerelosigkeit, als eher in der Phase eines raketengleichen Starts, dessen Zeuge der Betrachter, quasi am Fuße des Geschehens stehend, wird: Das Badezimmer mutiert zur Startrampe, die dabei suggerierte Perspektive zwingt den Blick von tief unten steil nach oben. Was man hier sieht, vor allem aber wie man es sieht, ist zu einem guten Teil tatsächlich Resultat eines kompositorisch zusammengesetzten Ordnungsgefüges, das einer klassischen Bildkomposition näher kommt als einem fotografischen Panorama: Die Wirklichkeit scheint baukastenartig in ihre Einzelteile zerlegt, um sodann zu einem phantastisch-poetischen Bild wieder neu zusammengefügt zu werden. 

 

‚Ophelia’ ist durchaus repräsentativ für das jüngere Werk Michael H. Rohdes. Waren es zunächst und vielfach urbane Außenräume, abseits alles Glamourösen liegende Ansichten von Depressionen erzeugenden städtischen Wohnvierteln, oder nur gottverlassene Hinterhöfe, die er fotografisch auf neue Sichtweisen hin untersuchte, so stehen seit 2003 vor allem Innenräume im Fokus seines Interesses. Küchen, Badezimmer, ganze Wohnungen von Nachbarn, Freunden und Bekannten werden genauso zu fliegenden Klassenzimmern, wie die eigenen Wohn- und Arbeitsräume. Im privaten Umfeld derjenigen, deren Einverständnis er zuvor erbat, fotografiert Rohde zunächst den jeweiligen Raum in toto, dann die in ihm befindlichen Gegenstände – aus allen möglichen, nicht selten aus fast unmöglichen Perspektiven. Diese Sichtweise vermittelt Vorstellungen, die bisweilen an (Trick) Filmstills erinnern, an auseinanderdriftende, aller Schwerkraft enthobene Interieurs oder an das Innenleben im Irgendwo schwebender Raumschiffe. Was Rohde im Resultat jedoch eigentlich interessiert, ist nicht der vordergründig spektakuläre Effekt, sondern ein grundsätzlicher Entwurf neuer Möglichkeitsformen des Wirklichen. Nicht alternative Welten sollen innerhalb seines künstlerischen Modells neu entfaltet werden, als vielmehr unsere Sicht auf Bekanntes, ‚Normales’, Bestehendes. Insofern besteht die künstlerische Substanz dieser spezifischen Form fotografischer Malerei hier nicht nur in einem technischen Spiel mit neuen Optionen des Perspektivischen, als vielmehr auch in deren Erweiterung in eine human-gesellschaftliche Dimension hinein: Wo dem Gewohnten der Boden entzogen wird, müssen auch die Gedanken wieder das Fliegen lernen.       

 

Michael H. Rohde machte zunächst eine Lehre als Maschinenschlosser und absolvierte ein Studium als Maschinenbauingenieur, bevor er mit dem Studium der Malerei begann, und später Fotografie – zuletzt bei Bernhard Johannes Blume – studierte. Vielleicht auch aufgrund dieser ungewöhnlichen Biografie zeigt sich schon in frühen Arbeiten das Überlagern künstlerischer Medien auch als ein Überlagern profaner Erfahrungen, das Malerei- wie Fotografie-Puristen wohl auch künftig Anlass zu den bekannten Diskussionen geben wird. Den Künstler selbst interessiert das von jeher wenig. Er experimentiert mit den ihm angemessen scheinenden Mitteln so wie für ihn das Leben selbst im Kern stets Experiment geblieben ist. Dazu zählt auch die Erfahrung der Obdachlosigkeit, die Rohde im Jahr 2009 über fünf Monate hindurch zu durchleben hatte, und die in seine Arbeit seit jener Zeit ebenso subtilen wie konstruktiven Einzug gehalten hat. Was bei anderen, hätten sie überhaupt als Künstler weiter zu überleben versucht, vielleicht zu Formulierungen radikaler Gesellschaftskritik geführt hätte, mündete bei ihm in die Radikalität eines immer konsequenter ausformulierten ästhetischen Konzepts und Kerngedankens, in dem sich Zentralperspektive gewissermaßen auch als ein Modus von Sozialperspektive artikuliert, und der Blick von unten einen wesentlichen Teil selbst erfahrener Lebenswirklichkeit impliziert. Interessanterweise entstand gerade in jener Phase ein Konvolut von Arbeiten aus der Sicht von oben, in denen Rohde seine notgedrungen improvisierten Übernachtungsplätze in leer stehenden Berliner Häusern quasi selbstbespiegelnd fotografierte. Erst dann begann er wieder in den Himmel zu blicken. Ob dabei letztlich die Vogel- oder die Kellerperspektive für mehr ‚Kontrolle’ über die eigene Situation steht, sei dahin gestellt. Für ihn war und bleibt beides stets künstlerisches Experiment. In der unbeendbarsten aller dialektischen Reihen sensibilisiert das beschützte Sein die Grenzen seines Zufluchtsortes. Es sieht das Haus in seiner Wirklichkeit und in seiner Möglichkeit, im Denken und im Träumen. Dieser zentrale Gedanke aus Gaston Bachelards ‚Poetik des Raumes’ vermag einen gewissen Transfer zu dem herzustellen, was Michael H. Rohdes Arbeit antreibt. Wie sehr es dem Künstler gelingt, Fluchtpunkte zu sich selbst erneuernden Ausgangspunkten zu machen – Geometrie zu anthropologischer Perspektive, wenn man so will –  zeigt stellvertretend ‚notbett bei mark’ (2009), ein phantastisch komponiertes multiperspektivisches Schleudertrauma, bei dem wohl jeder Ausstellungsmacher seine liebe Mühe hätte, die ‚richtige’ Lesart seiner Hängung zu bestimmen.       

 

Rohde nutzt das fotografische Medium, um künstlerische Bilder zu erzeugen. Das tun ‚pure’ Fotografen im Kontext von Kunst auch und seit jeher. Für ihn bedeutet Fotografieren jedoch zunächst einmal, das Foto als Rohstoff aufzufassen. Zur Kunst wird dieser Rohstoff erst durch all jenes, was dann folgt. Repräsentationen sozialer Ordnungen werden innerhalb dieses Konzepts einem tiefgreifenden Wechsel des Blicks unterzogen um Wirklichkeitsräume zu neuen Bildräumen zusammenzufügen. Dabei manipuliert der Künstler kaum je die Dinge selbst. Er verändert nur unsere Sicht auf sie. Genaue Beobachtung, Humor, Ironie und Nachdenklichkeit erzeugen magische Bildkosmen, die, gepaart mit technischer Raffinesse, nicht nur die Grundlagen eigenen Denkens und Fühlens, sondern ganz handfest auch die Position des eigenen Körpers in der Welt, und damit die eigene – unsere – Sicht auf sie zu bestimmen suchen.  

 

Die Kunstgeschichte hat vielschichtig perspektivisch angelegte Bildkonstrukte als kühne Entwürfe, utopische Projektionen und Metaphern des Transzendenten hervorgebracht. Schon lange vor der neuzeitlichen Erfindung der Zentralperspektive als System durch die Künstler des italienischen Quattrocento, die unseren bis heute verbindlichen Konsens der Anschauung gültiger Welterfassung prägen, gab es Vorläufer der Idee der Zentralperspektive im künstlerischen Bild. Am eindrucksvollsten vielleicht in den zahlreichen Darstellungen des Turmbaus zu Babel von Pieter Brueghel d.Ä. bis Gustave Doré, die, aller Unterschiedlichkeit der Ansätze zum Trotz, stets diesseitiges menschliches Systemdenken mit der gleichzeitigen Sehnsucht nach dessen Entgrenzung ins Unendliche hinein zu verbildlichen suchten.

 

Der Schacht, die Flucht, der Turm als formale Elemente wie als Metaphern der Transzendierung, des sich selbst Überhöhens und Sprengens gängiger Normen, tauchen auch in der Geschichte der Fotografie früh auf. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die perspektivische Zuspitzung Anlass kontroverser Diskussion und nicht immer so einmütig konnotiert, wie heute vielfach angenommen. Wo Alexander Rodtschenko mit seinen atemberaubend überrissenen Aufsichten auf Plätze, Hausfassaden, Treppen oder Maschinenhallen, und durch nicht weniger extreme Untersichten auf dieselben Motive geradezu künstlerische Lehrstücke fotografisch visualisierter Zentralperspektive schuf, proklamierte nahezu zeitgleich der Theoretiker Pawel Florenski im restrevolutionären Moskau der frühen 1920er Jahre eben jene Zentralperspektive als ‚Dressur der Wahrnehmung’. Auch hieraus spricht ein intellektueller Freiheitsdrang, gewohnte Sehweisen und deren Darstellung mit alternativen Denk- und Kunstmodellen zu konfrontieren. Tina Modotti zieht demgegenüber den Betrachter eher suggestiv in die Tiefe des Bildes, indem sie ihn in ihrer 1924 entstandenen Aufnahme eines Klostergewölbes im mexikanischen Tepotzotlán durch den überwölbten Zugang und eine steil aufsteigende Treppe in einen dahinter liegenden, unsichtbaren Innenhof eintreten lässt. Die eigentliche Raumöffnung wird dann durch die Phantasie des Betrachters fortgesetzt. In vielen frühen Architekturfotografien von Wolkenkratzern, Treppenhäusern oder Brücken als Ikonen des Modernen hat der Reiz der schwindelerregenden Perspektive genauso bildkonstituierend gewirkt, wie er es in aktuellen fotografischen Bildkonstrukten tut, die Skylines von Megastädten mit Hilfe digitaler Technik zu faszinierenden Verwirrspielen des Sehens montieren.              

 

Michael H. Rohde macht sich all diesen historischen Humus zunutze, so wie er – natürlich – alle Möglichkeiten digitaler Technik nutzt. Doch tut er dies nie zum Zweck beschönigender, als vielmehr zu jenem erfinderischer Manipulation, innerhalb derer das Bildbearbeitungsprogramm als ein Anwendungsutensil seines quasi malerischen Werkzeugkastens dient. Seit dem Jahr 1999 Photoshop benutzend ist seine Sprache inzwischen noch umfassender diejenige eines Fotografen, Malers und künstlerischen Konstrukteurs in Personalunion geworden. Und diejenige eines Bildarchitekten, der Räume entwirft. Akribisch setzt er sich mit Form und Beschaffenheit jedes einzelnen der in seinen Bildern gebannten oder durch sie schwebenden Gegenstände auseinander. Er fotografiert sie Stück für Stück und aus allen Ansichten und Blickwinkeln, die der späteren Komposition dienen, dreht sie, kippt sie, stellt sie auf den Kopf, und gewinnt so ein umfangreiches Arsenal an Möglichkeiten. Der Wohnraum und konkrete Ort, in dem er agiert, ist Motiv und Außenlabor zugleich, erst später am Computer im Atelier folgt der kompositorische Feinschliff. Die Wirkweise des dann über dem Bildschirm liegenden Linienrasters erinnert dabei durchaus an die linear perforierten Schablonen, mit deren Hilfe Freskenmaler früherer Jahrhunderte ihr kompositorisches Gerüst auf Raumdecken in großer Höhe auftrugen, um für den Betrachter perspektivische Richtigkeit aus der Sicht von unten zu gewährleisten.

 

Die präzise phänomenologische Erfassung und Wiedergabe des einzelnen Objekts ist für Michael H. Rohde bei aller Neukomposition – und gerade für sie – genauso Voraussetzung der ‚Stimmigkeit’ des späteren Bildganzen, wie das Licht, in dem es erscheint, und das den nur topografisch-geometrischen Raum zu einem Stimmungsraum macht. Konstruktion und Fluidum, präzise Zuordnung und der gleichzeitige Eindruck einer scheinbar zufälligen Momentaufnahme gehen hierbei stets Hand in Hand.  

 

Rohde reizt die Visualisierung des Perspektivischen permanent und bis zum letzten aus um sie zugleich und jederzeit zu konterkarieren. Wo er sie auf die Höhe treibt, löst er sie im selben Atemzug wieder auf. Es ist eine ganz eigentümliche Form ‚unlogisch’ präziser Vielansichtigkeit, ein Absurdum von innenräumlicher Präsenz und deren umfassender Öffnung, von klar formulierter Raumtiefe und dem zugleich darin lagernden Sprengstoff all ihrer Gesetzmäßigkeiten, von Öffnung und Verschachtelung, die sich in seinen fotografischen Bildkompositionen niederschlagen. Als Betrachter hat man nicht nur das Gefühl, im Innern der porträtierten Räume, sondern oft an mehreren Stand- und Blickpunkten gleichzeitig zu stehen, sich selbst durch das Bild zu bewegen. Die Suche nach optisch fest zu machendem Halt und Orientierung, die dann im Betrachtungsprozess der Kompositionen Michael H. Rohdes sofort einsetzt, kann bisweilen zu verwandten Reaktionen führen wie in den optischen Verwirrspielen im grafischen Werk M.C. Eschers, das perspektivische Unmöglichkeiten als multistabile Wahrnehmungsphänomene visualisiert.          

 

Das, was Rohdes künstlerische Qualität wie Originalität kennzeichnet, ist weniger der Reiz des bloßen optischen Überraschungseffekts (der längst zum selbstverständlichen Repertoire vielfältiger Animationstechniken in Foto- Film- und computerisierter Bewegtbildkunst geworden ist), als die Vermittlung eines starken Empfindens des anders Sehens, anders Fühlens, letztlich des ‚Anders’-Seins überhaupt. Das Sehen seiner fotografischen Kompositionen spielt sich nicht nur auf der visuellen Ebene ab, sondern sehr intensiv auch auf der emotionalen, mentalen und nicht zuletzt persönlichen. Michael H. Rohdes Arbeiten sind immer auch Zustandsbeschreibungen der eigenen Künstlerposition – des eigenen Standorts in der Welt und des ständigen intellektuell-emotionalen Reflexes darauf. Die Multioptionalität, und mit ihr der intelligible Raum, in dem er als Künstler agiert, erweitern eine Weltsicht, die schon A. G. Baumgartens Aestetica als Logik für die Sinne formuliert: Der Körper ist fähig, die Welt zu verstehen. Oder anders ausgedrückt: Die Position des eigenen Körpers bestimmt den Ort, mit dem er sich befasst.   

 

Ganz unten stehen ist irgendwie auch immer am Anfang stehen. Die Kunst Michael H. Rohdes ist Reflexion der Welt und zugleich existenzielle Selbstbespiegelung aus allen Blickwinkeln. Stabilität und Destabilisierung, die Sicherheit eines festen Weltbildes gegenüber der Erfahrung seiner Erschütterung, das Geradestehen und das Wanken, Aufbau und Zerstörung, Festigkeit und Fragilität – die ganze Dialektik all dieser Zustände zeigt Michael H. Rohdes fotografisches Werk Bild um Bild als ein sich ständig neu generierendes Kontinuum. In seinen forschenden fotografischen Kompositionen sind keine abschließenden Statements aufgehoben, keine finale künstlerische These oder Botschaft, wie die Welt zu verstehen sei oder nicht, wohl aber überraschende Optionen des Sehbaren, die jederzeit Unerwartetes bereit halten. Dabei ist Rohde weder Sozialromantiker noch ein zeitgeistiger Verfallsästhet mit der Kamera. Er betreibt feldforschende Arbeit in Bewegung, die einen künstlerischen Entwurf neuer Zustände des Wirklichen entfaltet, der sich vor den Augen des Betrachters im Bild vollzieht.

 

 

 

 

Contemplations from Underground - Thomas Elsen

  

I’m actually a painter, not a photographer’, says Michael H. Rohde — a phrase that has been heard many a time, yet Rohde utters it without routine, with true conviction. We are in his Berlin studio apartment where he is showing me is latest photographs, among them ’Ophelia’, a monumental Triptych depicting a young woman who seems about to ascend to the heavens while seated on a toilet bowl. Despite the sitter’s relaxed expression, we do not imagine her in a state of complete weightlessness (yet) but rather in the midst of a rocket-like take-off, whose witness we become at the fringes of the event: the bathroom mutates into a launching pad, enforcing an extreme and suggestive perspective from deep down below. What one can see here — or more to the point, how one sees it — is largely the result of a carefully assembled structure, closer to a classical painter’s composition than that of a photographic panorama. Reality seems to have been fragmented in the manner of a building kit and reassembled into a fantastical, poetical image.

 

Ophelia’ is a representative example of Michael H. Rohdes’ later work. His urban exteriors, depressing living quarters or godforsaken courtyards remote from glamorous locations, which he investigated photographically in search of new modes of perception previously, have made room for interiors that have been in the focus of his interest since 2003. Kitchens, bathrooms, and entire apartments inhabited by his neighbours, friends and acquaintances have thus become ’flying classrooms’, as have his living and working quarters. With the consent of their inhabitants, Rohde photographs these private dwellings by first depicting the respective rooms in total, and then the objects inside them — from every possible and often also from impossible perspectives. The results of this practice reminds one of (animation) film stills of weightless interiors drifting into space, or the insides of spaceships floating about in the unknown. The superficial spectacular effect, however, is not what interests Rohde in the results of his work. It is rather a basic concept for the possibility of new formal manifestations of reality that he is in search for. His artistic model does not seek to create new and alternative worlds, but to influence how we perceive the familiar, the ‘normal’ and the known. The artistic substance of this specific form of photographic painting manifests itself not only in technical experiments with new options concerning perspective, but in its expansion into a humane, social dimension within: when common knowledge loses its grounds, thoughts must learn to fly again.

 

Before he began his studies of fine art and later photography —last with Bernhard Johannes Blume —, Michael H. Rohde completed an apprenticeship as an engine fitter and graduated as mechanical engineer. His unusual biography is perhaps also the reason why from his early works on, Rohde has layered artistic disciplines with profane experiences, a practice that will fuel the well known disputes of painting and photography purists. The artist himself shows little interest in this discussion. The essence of life itself has always remained an experiment to him, accordingly, he experiments with the means that seem appropriate to him.

In 2009 Rohde endured five months of homelessness, an experience that has subtly and constructively entered his work since. Whereas others, provided they would have tried to survive as artists, perhaps would have been lead to forms of radical social criticism by this experience, Rohde turned to the radicality of framing a continuous aesthetic concept which at its core understands the central perspective as a mode of social perspective, thus implying the view from below as an essential part of a real life experience and reality. Interestingly, it was also specifically during this period that Rohde started a series of works featuring a view from above, when photographing his provisionally improvised sleeping locations in vacant Berlin buildings in an act of quasi self-reflection. Only thereafter did he start looking to the sky again.

Whether the the bird’s eye or the worm’s-eye perspective stands for more ‘control’ over one’s own situation is an open question. To him, both have always been and remain to be an artistic experiment.

 

In the most unending of all dialectical methods the protected being sensitizes the limitations of its refuge. It sees the house in its reality and in its possibility, in thinking and in dreaming.

This central thought in Gaston Bachelard's Poetik des Raumes provides a transfer to what drives Michael H. Rohde’s work. 'notbett bei mark’ (2009), a fantastically composed multiple perspective whiplash, which would puzzle any gallerist when trying to determine the ‘correct’ way of hanging and reading it, aptly demonstrates the artist’s ability to transform vanishing points into self-renewing starting points – or geometry into anthropological perspective.

 

Rohde uses the photographical medium to produce artistic images, as ’pure’ photographers have always done in the context of art. To him however, photography first and foremost means understanding the photo itself as raw material that results in art only through that which follows. Within this concept, representations of social structures undergo profound visual transformations, when actual spaces are re-assembled as pictorial space. The artist hardly ever manipulates the objects themselves. He merely changes our view. Precise observation, humour, irony and pensiveness produce a magical visual cosmos coupled with technical refinement and attempts not only to determine the basis of thought and emotion but in a very tangible manner the position of one’s own physical presence within the world and one’s own view of it.

 

Art history has produced multilayered, perspectively constructed images in the form of bold designs, utopian projections and metaphors of the transcendental. Long before the modern age central perspective came to existence as a system introduced by the artists of the Italian Quattrocento, which continues to shape our binding consensus of valid world views until today, there were precursors of the idea of the central perspective within the artistic image. Ranging from perhaps the most impressive of numerous examples, ‘The Tower of Babel’ by Pieter Brueghel the Elder, to Gustave Doré, they continually attempt to portray both human yearning to perceive and think in wordly systems and hierarchies, and the longing for delimitation and transcendence into eternity. The shaft,thevanishing point and the tower can also be found in the early history of photography, as formal elements and as metaphors of transcendence, of raising oneself and breaking free of the common norm. Radicalized perspectives were the topic of controversial discourses at the beginning of the 20th Century and were by far not as unanimously connoted as one would presume today. While Alexander Rodtschenko created nothing short of artistic instructions in photographically visualized one-point perspectives with his breathtakingly extreme views from above on squares, house exteriors, staircases, and factory halls — and his extreme views from below of the same subjects — theorist Pawel Florenski proclaimed that very same one-point perspective‘as the taming of perception’almost at the same time,towards the end of revolutionary Moscow in the early 1920s. Here, too, one encounters an intellectual urge for freedom and for confronting familiar perceptions and their representations with alternative models of thought and art. Compared to this, Tina Modotti in her photograph of monastery vaults taken in Mexico’s Tepotzotlán in 1924 suggestively draws the viewers into the image’s depth by letting them enter a vaulted entrance and a steep stairwell leading to an invisible courtyard which lies behind and whose opening is continued in the viewer’s imagination. In many early architectural photographs that show sky scrapers, staircases or bridges as icons of modernity, the allure of the dizzying perspective has had the same constituting effect as it does in the contemporary photographically constructed images that transform montages of mega city skylines into fascinating games of visual confusion with the aid of digital technology.

 

Michael H. Rohde makes use of this historical humus just as he — of course — makes use of digital technology’s many possibilities. His manipulations, however, aim more at inventiveness than at beautification, and utilize the computer program as a utensil of his quasi painterly toolbox. Having worked with Photoshop since 1999, his artistic vernacular surpasses that of a photographer, he is as much a painter and artistic designer as he is an architect of images who creates spaces.

Rohde meticulously works with the form and the nature of every individual object captured — or floating — in his images. He photographs them one by one and from varying points of views and angles for the following composition, he turns, tilts and reverses them, thus accumulating a comprehensive arsenal of possibilities. The private dwellings and concrete locations in which he acts, are both subject and laboratory to him, with the fine finishing of the composition added later at the computer. And the grid used on the computer screen then reminds one of the perforated stencils used in former centuries by fresco painters to apply their compositional scaffolding onto high ceilings in order to guarantee perspective correctness from below.

 

Precise phenomenological observations and representations of objects are as important prerequisites for Rohde’s re-compositions and the ‘correctness’ of the resulting images as the light in which they are shown and which transforms topographical, geometrical rooms into emotional spaces — principles of construction meet fluidity, precise references occur simultaneously with the impression of random accidental depictions of reality.

 

Rohde permanently outbids and thwarts the visualization of perspective, forcing its climax while simultaneously dissolving it in the unique form of the illogically precise multiple image, an absurd interspatial presence that he opens up completely; the depth of space is articulated clearly and reveals its potent disposition, with openings and convolutions condensed in these pictorial compositions. Looking at these images, one not only has the impression of standing directly in the depicted surroundings, but also seems to see them from various angles and points at once, as if moving through the images themselves. Searching for points of orientation in Rohde’s compositions can lead to similar reactions as M. C. Escher’s optical illusions that visualize impossible perspectives in the guise of seemingly stable and reliable phenomena.

 

It is not so much the thrilling effect of surprise (which has become a common feature in the repertoire of photo, film and computer based animated art) that distinguishes Rohde’s work in its quality and originality, but a powerful sense of seeing and feeling for the first time, of being ‘different’ in general. Looking at his photographical compositions is not only a visual act, it also strongly touches upon emotional, mental and no least personal levels. Michael H. Rhode’s works capture and describe the status quo of his own artistic position, his position in the world and the perpetual intellectual and emotional reflex that comes with it. This multiplicity of options and the intelligible space he works in as an artist extend a worldview A. G. Baumgarten termed a logic of the senses in his Aestetica: the physical body has the ability to understand the world, or put differently: the body’s position determines the space it concerns itself with.

 

To be at the very bottom also means to be at the beginning. Michael H. Rohde’s art

reflects on the world and on his own existence from every angle. His oeuvre presents the dialectics of stability and de-stability, the security a set world view provides and the experience of its being shaken, of standing upright and of swaying, of construction and destruction, firmness and fragility — a wealth of conditions that Rohde’s photographs depict as a continuum generated in and out of itself image by image. His photographically composed explorations do not contain statements, final artistic theories or messages that would suggest how to best understand the world and how not to. They do, however, offer surprising and unexpected options for seeing and perceiving. Rohde is neither a social romantic, nor is he a decadent zeitgeist aesthete equipped with a camera. His work is that of a field researcher on the move, artistically drafting new states of reality right in front of the eyes of its beholders.

 

Translation © 2014 Stella Sander

 

 

 

 

 

 

Von hellen und dunklen Räumen 

(engl. see down) 

Stephan Berg 

„Es gibt Orte, an die man gehen, aber auch Orte, an die man nicht gehen kann, Räume in Räumen, von denen man nicht ahnt, wo oder wofür sie sind, auch wenn man weiß, dass irgendwas dort ist.“  John Burnside:Glister1 

Heimsuchung ist eines dieser in seiner Bedeutung schillern- den Worte, das einen darüber grübeln lässt, ob Sprache möglicherweise nur dann in einem radikalen Sinn wahr und Erkenntnisfördernd ist, wenn sie sich einer klaren Lesbarkeit, einem eindeutigen Sinn entzieht und stattdessen Mehrdeutigkeiten, Paradoxa und Aporien produziert. Diese Behauptung scheint nur solange gewagt, wie wir davon ausgehen wollen, dass die Welt, die uns umgibt, die Realität, in der wir leben, nach objektiv gegebenen Kriterien geordnet ist und als transparentes Ganzes jederzeit offen und eindeutig vor uns liegt. Genau daran aber bestehen begründete Zweifel. Und dies nicht erst seit dem aufklärerisch verfügten „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ der die Verantwortung für die Welt und ihre vernünftige Ordnung von der göttlichen Ebene auf die der Subjekte verlagerte. Zumal diese damit nicht nur in einem bislang ungekannten Maß ermächtigt, sondern im Grunde ebenso grundsätzlich überfordert wurden. Die subjektive Erschließung der Welt ist seitdem stets sowohl ein Motor für den ständigen Drang nach Wissen und Erkenntnis, wie auch ein Prozess, der aus sich selbst heraus immer wieder seine eigene Undurchsichtigkeit, die Grenzen des Erklärbaren produziert. 

In seiner semantischen Ambivalenz artikuliert HEIMsuchung genau diesen Zusammenhang zwischen subjektiver Welt- beziehungsweise Ich-Vergewisserung und dem radikalen Zweifel daran. Das Heim, das wir suchen, ist zugleich ein Ort geworden, 

von dem wir heimgesucht werden. Der Raum, der uns nicht nur einfach Schutz bieten soll, sondern unsere Identität räumlich konfiguriert, destabilisiert uns im gleichen Atemzug. Die Heim- suche, die wir betreiben, produziert nicht nur Heimat, sondern entlässt auch - psychoanalytisch munitioniert - das Heimliche aus seinen heimischen Kontexten und öffnet die Türen damit weit für die Gespenster des Verdrängten. Es geht in dieser Ausstellung um die Ambivalenz des Raumerlebens, bezogen auf den wichtigsten und zugleich prekärsten Raum, den wir kennen: den von uns bewohnten Innenraum. Und es geht um die Frage, wie gerade diese intime Zelle, diese - nach der Kleidung - dritte Haut unseres Körpers zu etwas potenziell Bedrohlichem, Instabilen werden kann, aber auch darum, ob dieser Prozess der existenziellen räumlichen Verunsicherung nicht auch produktive Züge enthält? Ob also das Schwanken des eigenen Bodens für uns heute die Bedingung ist, diesen, als neuen, notwendig gleitenden für uns neu zu definieren? 

Als Problem begegnet uns der Raum dabei im Grunde erst, seit wir ihn nicht mehr als endliche, unveränderbare und objektive Größe denken können. Dergestalt hatte ihn Aristoteles beschrieben. Dabei ging er von einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Ort (Topos) und Raum (Chora) aus. Topos meinte in diesem Zusammenhang einen von einem begrenzten Körper eingenommenen Ort, während die Chora den Raum bezeichnete, der solche, von Körpern eingenommene Orte beinhaltete. Diese Raumdefinition ist als Gefäßmetapher berühmt geworden, bei der der Körper, als „übertragbarer Ort“ vom Raum umschlossen wird, wie „eine Art unbewegliches Gefäß“.2 Insofern existiert der Körper-Ort nur durch den Raum, der diesen wie eine Hülle umgibt. Und der in diesem Sinn notwendig endliche Raum wiederum ergibt sich aus der kontinuierlichen materiellen Substanz der von Körpern erfüllten Orte. Körper-Ort und Raum beglaubigen sich also gegenseitig in einer Weise, die eine Destabilisierung des Raumes gegenüber den in ihm befindlichen Körpern ausschließt. Der Raum, der sich dem Körper als „übertragbarer Ort“ anverwandelnd anschmiegt und überstülpt, ist von dem wir heimgesucht werden. Der Raum, der uns nicht nur einfach Schutz bieten soll, sondern unsere Identität räumlich konfiguriert, destabilisiert uns im gleichen Atemzug. Die Heim- suche, die wir betreiben, produziert nicht nur Heimat, sondern entlässt auch - psychoanalytisch munitioniert - das Heimliche aus seinen heimischen Kontexten und öffnet die Türen damit weit für die Gespenster des Verdrängten. Es geht in dieser Ausstellung um die Ambivalenz des Raumerlebens, bezogen auf den wichtigsten und zugleich prekärsten Raum, den wir kennen: den von uns bewohnten Innenraum. Und es geht um die Frage, wie gerade diese intime Zelle, diese - nach der Kleidung - dritte Haut unseres Körpers zu etwas potenziell Bedrohlichem, Instabilen werden kann, aber auch darum, ob dieser Prozess der existenziellen räumlichen Verunsicherung nicht auch produktive Züge enthält? Ob also das Schwanken des eigenen Bodens für uns heute die Bedingung ist, diesen, als neuen, notwendig gleitenden für uns neu zu definieren? 

Als Problem begegnet uns der Raum dabei im Grunde erst, seit wir ihn nicht mehr als endliche, unveränderbare und objektive Größe denken können. Dergestalt hatte ihn Aristoteles beschrieben. Dabei ging er von einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Ort (Topos) und Raum (Chora) aus. Topos meinte in diesem Zusammenhang einen von einem begrenzten Körper eingenommenen Ort, während die Chora den Raum bezeichnete, der solche, von Körpern eingenommene Orte beinhaltete. Diese Raumdefinition ist als Gefäßmetapher berühmt geworden, bei der der Körper, als „übertragbarer Ort“ vom Raum umschlossen wird, wie „eine Art unbewegliches Gefäß“. Insofern existiert der Körper-Ort nur durch den Raum, der diesen wie eine Hülle umgibt. Und der in diesem Sinn notwendig endliche Raum wiederum ergibt sich aus der kontinuierlichen materiellen Substanz der von Körpern erfüllten Orte. Körper-Ort und Raum beglaubigen sich also gegenseitig in einer Weise, die eine Destabilisierung des Raumes gegenüber den in ihm befindlichen Körpern ausschließt. Der Raum, der sich dem Körper als „über- tragbarer Ort“ anverwandelnd anschmiegt und überstülpt, ist stets mit diesem verbunden, und insofern nie grundsätzlich in Frage zu stellen. 

Gerade diese unveränderlich gegebene Verknüpfung von Raum und Körper- beziehungsweise Ding-Orten gilt im neu- zeitlichen Raumdenken nicht mehr. Voraussetzung dafür ist zunächst die radikale Veränderung des Weltbilds durch die Naturwissenschaften, die - gegen das endliche, an Körper-Orte gebundene antike Raumbild - einen unendlichen, absoluten Raum entwerfen, der unabhängig von allem, was sich in ihm befindet Bestand hat. Dieser absolute Raum wird durch Einstein zu einem nicht-euklidischen, vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum erweitert, also zu einem relationalen Gefüge, welches den Menschen in einem grundsätzlichen Sinne dazu herausfordert, sich zu ihm zu verhalten, ohne dass er je wieder das Aufgehobensein im bergenden Raum des antiken Weltbild erlangen kann. 

Philosophiegeschichtlich gesehen begründet dieser Prozess der naturwissenschaftlichen Veränderung unseres Weltbilds wesentlich die Entwicklung des neuzeitlichen Subjektbegriffs. Gültig formuliert erleben wir ihn bei René Descartes, dessen rationalistisches Denken aus einer radikalen Konzentration auf das eigene Ich entsteht. Sein berühmtes „cogito ergo sum“ aus den „Meditationes de prima Philosophia“ (1641) ist dabei aber eben nicht einfach die Behauptung der souveränen, selbstverfügten Erkenntnisfähigkeit des Subjekts. Der Satz verrät vielmehr mindestens genauso viel über die Erschütterung, die das Ich in einer in jeder Beziehung komplexeren und uneindeutigeren Welt erfährt. Anders gesagt: Hinter der Legitimierung des Selbstbewusstseins, wie sie das cartesianische Denken postuliert, scheint immer auch der fundamentale Zweifel an der eigenen Erkenntnisfähigkeit durch. Und dieser wiederum resultiert wesentlich aus dem Wissen, dass der Entwurf einer sinnvoll geordneten Welt und eines stabilen Zusammenhangs zwischen Ich und umgebendem Raum ganz in die Hände der sich selbst dazu ermächtigenden Subjekte gelegt worden war. Seinen pes- simistischen Ausdruck findet diese Erkenntnis in Blaise Pascals (1623-1662) Diktum: „Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern.“
Die Rettung des subjektiven Weltentwurfs in eine höhere Objektivierung unseres Daseins in Raum und Zeit versucht dagegen Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“, in der er, ausgehend von der Frage „Was sind nun Raum und Zeit? Sind es wirkliche Wesen?“ zu dem Ergebnis kommt: „Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden (...) sondern eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren Anschauungen zugrunde liegt (...) also (...) die Bedingung der Möglichkeit der Erscheinungen“.3 Anders gesagt: Der Raum, als notwendige Bedingung unserer Erfahrung der Welt, besitzt empirische Realität. Zugleich ist er aber in Bezug auf sein „Ansichsein“ eine bloße Denkmöglichkeit, also abhängig vom erkennenden Subjekt. Damit wird der Raum (wie auch die Zeit, die Kant auf gleiche Weise behandelt) zu einer in sich paradoxen Größe: Einerseits ist er als reine Anschauungsform Produkt subjektiver Vorstellung, verfügt aber dennoch über eine reale Qualität a priori. Kant hat für diese widersprüchliche Verknüpfung den Begriff der „transzendentalen Idealität“ ein- geführt und bezeichnet damit (ungewollt) ein Dilemma seiner Ästhetik: die Aufhebung eines durch seinen subjektiven Bezug eigentlich schon relational gewordenen Raumbegriffs im Ideal der reinen Anschauung. 

Ein fernes Echo dieser Dichotomie zwischen subjektiv erzeugtem und objektiv gegebenem Raum findet sich noch bei Martin Heidegger in dessen 1964 als Vortrag gehaltenen „Bemerkungen zu Kunst – Plastik –Raum“. Heidegger spricht hier von einem räumenden Raum, der selbst nicht absolut gegeben ist, sondern über die Dinge und Orte, die sich in ihn einräumen, überhaupt erst artikuliert wird.4 Damit wird Raum nicht nur zu einer Konfiguration, die sich, abhängig von seiner jeweiligen Einräumung, zeitlich und geschichtlich immer wieder anders und neu denken lässt. Der Raum gewinnt hier vielmehr auch einen Ereignis- und Handlungscharakter, der ihn als Raum sozialer Interaktion erfahrbar macht. Dennoch hält auch diese, auf „Sein und Zeit“ zurückgehende Phänomenologie der Orte und Räume daran fest, dass der Raum zwar nicht anders als über die in ihn eingeräumten Orte, Dinge und Menschen erfahrbar sei, der Mensch aber seinerseits diesen Raum nicht produziere. Vielmehr bleibt dem Raum eine fundamentale Eigenmächtigkeit, wenn man so will eine dem (Ein)Räumen vorgeschaltete Existenz (a priori). Möglicherweise rührt daher auch das „Un-Zuhause-Sein“, mit dem Heidegger in „Sein und Zeit“ das Moment des existenziellen in die Welt-Geworfenseins beschreibt: Der von Subjekten, Orten und Dingen jeweils eingeräumte Raum zeigt sich nämlich hier als letztlich nicht beherrschbar, als eigenmächtig. Dieses Un-Zuhause-Sein gilt für die handelnden Subjekte umso mehr, als die freudianische Psychoanalyse ihnen auch das Fundament der eigenen Ich-Versicherung entzieht. Das Unheimliche, denen sich das Subjekt gegenübersieht, lauert seitdem ja gerade im Vertrauten, in den Strukturen des eigenen Ichs, deren verdrängte Anteile nun wieder an die Oberfläche drängen und das Ich mit sich selbst als Fremdem konfrontieren. In diesen Zusammenhang gehört auch Heideggers Hinweis darauf, dass in das Wort „geheimnisvoll“ die Fähigkeit des Hauses etwas zu verheimlichen, sozusagen als strukturell Unheimliches hinein- gebaut ist. 

Eben dieser Zusammenhang bildet das konzeptuelle Fundament für HEIMsuchung: Einerseits ein entgleitender Welt- und Lebensraum, der trotz seiner immer stärker werdenden Subjekt-Gebundenheit eine potenziell unheimliche Eigenmächtigkeit behält. Andererseits die Entsicherung und Entbergung des Individuums aus den ehemals gegebenen Kontexten. Die subjektive Kontrolle über Raum und Welt, die das Ich im Lauf der Geschichte gewonnen hat, schafft ihm einen paradoxen, prekären Bewegungsraum: Einen Raum, der ebenso durch die reale und geistige Bewegung des Subjekts in ihm konstituiert wird, wie er sich dem Ich, das sich ohnehin systematisch nur noch als ein Anderer denken kann, entzieht und eine undurchsichtige Eigenexistenz behauptet. Damit argumentiert die Ausstellung im Horizont einer krisenhaften Subjekt-Erfahrung der Moderne, die sich spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts, auch bedingt durch die Industrialisierung und Automatisierung, als Frage nach dem Ort und der Identität des Ichs verschärft stellt und heute, unter den Bedingungen einer zunehmend ortlos gewordenen Informationsgesellschaft, noch weiter an Brisanz gewonnen hat. Es ist eine zugespitzte Dialektik von Innen und Außen, die zumindest unsere westlichen Gesellschaften seit der Moderne antreibt und zugleich verunsichert. Ihnen ist nicht nur die Überzeugung, das Außen (die Welt) wie das Innen (das Ich) beherrschen zu können fragwürdig geworden, sondern sie scheinen auch weitgehend die Möglichkeit verloren zu haben, das Verhältnis beider Bereiche zueinander produktiv zu regulieren. 

In seiner 1886 erschienenen Analyse der Empfindungen schreibt Ernst Mach: „An einem heiteren Sommertag im Frei- en erschien mir mit einmal die Welt samt meinem Ich als eine zusammenhängende Masse von Empfindungen“.5 Damit markiert er noch einmal diesen Moment der Verschmelzung, in dem Raum und Ich sich glückhaft vereinigen. Aber es ist bezeichnend, dass es ein impressionistisch gefasster Augenblick ist, in dem die Dichotomie zwischen entsicherten Subjekten und entsicherten Räumen aufgehoben wird und nicht eine kontinuierliche Erfahrung. Damit ähnelt diese Beschreibung dem Moment, an dem das Erzähler-Ich in Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ beim Teetrinken im Geschmack eines Gebäcks seine verlorene Erinnerung als „memoire involontaire“, also als dem Subjekt nicht zur Verfügung stehender Erinnerung wieder entdeckt. Nur der unverfügbare Moment bringt Raum, Zeit und Ich, Innen und Außen noch einmal zusammen. Aber nicht mehr im Sinne einer strukturellen Offenheit der Welt, die uns, wenn wir sie nur lange genug anschauen „immer schon das relevante Universum in selbstgenügsamer Ganzheit“6 zeigt. An die Stelle der Ganzheit ist der radikale Zweifel getreten und das Misstrauen gegenüber jeglichen Sinnesdaten, das unter den Bedingungen einer virtuellen Welt der Simulacren noch einmal erheblich zugenommen hat. 

Peter Sloterdijk begreift in seinem Essay „Der ästhetische Imperativ“ die zwei grundsätzlichen philosophischen Möglichkeiten, die Welt zu denken als weißen bzw. schwarzen Raum. Der weiße Raum wäre dabei gleichzusetzen mit einer Welt, die für das Subjekt stets vollständig vorhanden ist, erzeugt von einem olympischen Gott, der uns nichts übriggelassen hat, was wir noch tun könnten, als all das anerkennend nachzuvollziehen, was bereits gelöst zu Tage liegt. Der schwarze Raum dagegen bedeutet die Anerkennung dessen, dass die Welt nicht bereits als gegebene vorhanden ist, sondern stets „vorhergesagt, konstruiert, gebaut werden muss“. 7 Der schwarze Raum bezeichnet also das Paradigma der wissenschaftlichen und philosophischen Erschaffung der Welt. Es ist der Raum, in dem sich das selbstermächtigte Subjekt als Schöpfer und Deuter seiner Welt feiert. Strukturell gesprochen erschafft solchermaßen das Innen (das Ich) das Außen (die Welt) und beglaubigt zugleich damit den Zusammenhang beider Sphären. In den geschichtlichen Phasen allerdings, in denen die Selbstdeutung der Welt mit Erfahrungen kollidiert, in denen nicht mehr die Kongruenz zwischen Subjekt und seinem Weltraum, sondern das Gefühl der Deplazierung, der Dislozierung überwiegt, verdunkelt sich der schwarze Raum einer subjektgenerierten Weltdeutung zur „Black Box“, welche die Welt „toto genere als undurchdringlich erscheinen“ lässt. Dieser Weg vom weißen Raum zum schwarzen Raum und von dort zur schwarzen Box, zur „Black Box“ ist für unsere Themenstellung insofern relevant, als er deutlich macht, dass der Prozess der Moderne nicht gesamthaft als einer der Aufklärung, der fortlaufenden selbstinduzierten Welt- und Sinngewinnung zu lesen ist, sondern ebenso als ein Prozess der Verdunkelung, der Verdüsterung, des Undurchdringlichwerdens. Gegen den phänomenologischen Optimismus, die Realität erkläre sich von selbst und gegen die wissenschaftliche Überzeugung, jeglicher Sinnzusammenhang ergebe sich dadurch, dass er zunächst von uns konstruiert worden sei, setzt die Sloterdijksche Lesart der „Black Box“ eine „Resignationsgeschichte der Intelligenz“. Inner- halb dieser sind wir umgeben von Black-Box-Systemen, deren tatsächliche Antriebe nicht mehr durchschaut werden können. Das Verhältnis von Außen und Innen erfährt damit eine weitere Zuspitzung. Je weniger wir die komplexen Maschinen wie Computer oder Smartphones verstehen, mit denen wir scheinbar über die Welt verfügen, umso glatter, benutzerfreundlicher und erotischer werden die Oberflächen, die sie uns anbieten. Bei diesen Maschinen gibt es im Grunde nur noch ein Außen und kein Innen mehr. Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Zunahme an glattem, benutzerfreundlichen Außen, das mit einer Verdüsterung und dem Unzugänglichwerden seines Inneren einhergeht, die Suche des Subjekts nach einem Innen, das sich ihm vollständig erklärt und gehört, maßgeblich befördert hat. Schlagwortartig ist diese Tendenz in den letzten Jahrzehnten als neues Biedermeier, als Cocooning oder Rückzug ins Private beschrieben worden. Das Innen des privaten Wohnraumes wäre so gesehen der Versuch der Negierung der Welt als Black-Box-System durch die Erschaffung einer eigenen Sonderwelt, die den Regeln einer Kongruenz zwischen Innen und Außen folgt. Allerdings lässt sich, wie weiter oben erläutert so einfach die Dichotomie zwischen Welt und Ich nicht mehr zurücknehmen. Das Haus, die eigene Wohnung, deren Grenzziehung gegen das Außen der Architekturtheoretiker Mark Wigley im Sinne Derridas als Mechanismus der Zähmung, der Domestizierung10 begreift, hat seine schützende Funktion verloren: Erstens, weil die Trennlinie zwischen Außen und Innen immer mehr verschwimmt. Das Private drängt zusehends mehr ins Öffentliche und umgekehrt. Und die unter dem Signum einer zweiten Moderne entstandene Transparenzarchitektur aus Glas und Stahl arbeitet auf ihre Weise an der Aufhebung der Grenzen zwischen dem Draußen und dem Drinnen. Zweitens, weil der Riss inzwischen durch die Subjekte selbst verläuft. Die Heimstatt, als körperliche Hülle für das Ich ist selbst zur gefährdeten und potenziell gefährlichen Zone geworden. 

Wie sehr das Moment der Destabilisierung Einzug in unsere Schutzburgen des Wohnens gehalten hat, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Versuche, den Innenraum als Ort reinen Glücks und einer prästabilisierten Harmonie zu verteidigen. In diesen Zusammenhang gehören beispielsweise Kierkegaards Ausführungen zum Interieur, die Adorno als Manifestation einer „objektlosen Innerlichkeit“ kritisiert, die in sich selbst ihre Erfüllung findet, weil sie alles Außen als scheinhaft erkannt hat.11 Auch Gaston Bachelard begreift das Interieur als Raum der Geborgenheit. In seiner 1957 erschienenen phänomenologischen „Poetik des Raumes“ fragt er: „Lässt sich über alle Häuser hinweg, in denen wir zu wohnen geträumt haben, eine intime und konkrete Wesenheit erkennen, die eine Rechtfertigung des einzig- artigen Wertes aller unserer Bilder von beschützter Innerlichkeit wäre?“12 Seine liebevollen Erschließungen von Räumen, Schränken, Schubläden betonen nicht nur das Geborgensein des Ichs in diesen vielen Körperhüllen, sie stellen auch eine Art sanften Exorzismus gegen den Schrecken der Psychoanalyse dar, der uns, nachdem schon die äußere Welt von Unsicherheit durchzogen ist, nun auch noch die eigene Innenwelt in ein un- durchschaubares und bedrohliches Labyrinth verwandelt hat. In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Alain de Botton in seinem Buch über „Glück und Architektur“ (2006) und sucht nach „Gebäuden (...), die uns eine hilfreiche Vision unserer selbst - wie einen psychischen Abguss – vor Augen halten.13 Dagegen setzt Anthony Vidler seine weit ausgreifende Studie über den Schrecken und die Unheimlichkeit der Architektur, die nicht nur den Freudschen Begriff des Unheimlichen in den Mittel- punkt seiner Überlegungen stellt, sondern ihn auch direkt auf den Prozess der Moderne und die Geschichte moderner Architektur, insbesondere des Bauhauses und Le Corbusier bezieht. Gerade der Versuch der Austreibung alles Irrationalen aus den modernen Räumen, die Herrschaft von Transparenz, Logik und Geometrie haben demnach dem Unheimlichen, Unfassbaren, Undurchsichtigen erst wieder zur neuen Virulenz verholfen. Helle und dunkle Räume erscheinen so als dialektisch miteinander verbunden, als Erkenntnis der beharrlichen Gegenwart des einen im anderen. Damit taucht eine interessante Perspektive am Horizont auf: Die Möglichkeit, die dunklen, schwarzen Räume von denen bislang die Rede war, nicht nur als Räume der Verunsicherung, als pathische Räume zu begreifen15, „mit einer schwindelerregenden Nähe der Gegenstände, einer Verschlingung von Mensch und Welt“16, sondern auch als produktive Herausforderung. Innerhalb einer solchen Dialektik argumentiert beispielsweise der französische Psychiater und Philosoph Eugéne Minkowski. In seiner 1933 erschienenen „Psychopathologie des Raumes“ grenzt er den hellen Raum, in dem sich alles rückstandslos erschließen lässt, gegen den „schwarzen Raum“ ab, den er als ein lebendiges Gebilde sieht, das, obwohl es keine sichtbare Tiefe und keine sichtbare Ausdehnung besitzt, als tief und umfassend erlebt wird.17 Dieser Raum, der das Ich dicht und stofflich umhüllt ist für ihn nun eben nicht nur eine Zone der Passivität und des Schreckens, sondern ermöglicht dem Ich eine elementare Erfahrung: Während der helle Raum durch die Körperlichkeit der Objekte und Subjekte verdrängt wird, qua- si verschwindet, saugt sich die Dunkelheit mit ihnen voll, „sie berührt das Individuum direkt, hüllt es ein, durchdringt es und geht sogar durch es hindurch. Daher ist das Ich für die Dunkelheit, aber nicht für das Licht durchlässig“.In diesen dunklen Räumen kommen wir auf eine paradoxe Weise scheinbar wieder zu dem aristotelischen Raum zurück, der den Körper, als übertragbaren Ort, wie ein Gefäß fest umschließt. Aber die Ausgangslage hat sich radikal geändert. Aristoteles ging von einem endlichen, per se gegebenen Raum aus, der durch die in ihm befindlichen Körper-Orte ebenso beglaubigt wurde wie er zugleich sie erst möglich machte. Der schwarze Raum, von dem Minkowski dagegen spricht, ist ja gerade einer, der nur unter den Bedingungen von Unfassbarkeit, Eigenmächtigkeit und Depersonalisation entstehen konnte. Interessanter- weise ist es aber dieser bedrohte und bedrohliche Raum, dem Minkowski ein produktives Potenzial für das Subjekt zuspricht. Statt der negativ empfundenen Verschlingung von Mensch und Welt erlebt das Subjekt in ihm geradezu eine „Verführung durch den Raum“.19 Gegen die feststehende, alles erleuchtende Klarheit des hellen Raums wird der schwarze Raum zum Raum der Erfahrung, gerade weil er die Grenzen des Subjekts, seinen Innenraum, sein Interieur, nicht respektiert, sondern in diesen eindringt, sich mit ihm hybridisiert. So gesehen müsste uns also erst existenziell unheimlich werden, bevor wir uns selbst in einer wahrhaft produktiven Weise erfahren und entwickeln können. Oder anders gesagt: Das Heim, das wir suchen, wird uns nur dann Schutz bieten können, wenn wir erkennen, dass wir in Wahrheit völlig schutzlos sind. 

* 
Der Text erschien anlässlich der Ausstellung „HEIMsuchung - Unsichere Räume in der Kunst der Gegenwart“ im Kunstmuseum Bonn im Mai 2013. Mit freundlicher Genehmigung des Kurators Stephan Berg. 

 

 

Anmerkungen /Annotations:

1. Burnside, John: Glister, München 2009, S. 74.


2. Aristoteles: „Physikalische Vorlesung“, in: Ders.: Die Lehr- schriften, 30 Bde., hrsg.,übertr. und in ihrer Entstehung erl. von Paul Gohlke, Paderborn 1947-61, Bd 4/1 Physikalische Vorlesung, Paderborn 1956, S. 38.


3. Kant, Immanuel: Immanuel Kants Werke, hrsg. von Ernst Cassirer, 10 Bde., Berlin 1912-22, Bd. 3, Kritik der reinen Vernunft, Berlin 1913, S. 58.


4. Vgl. Heidegger, Martin: Bemerkungen zu Kunst, Plastik, Raum, St. Gallen 1996, S. 13.


5. Mach, Ernst: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen, Jena, 3. verm. Aufl. 1902, S. 23.


6. Sloterdijk, Peter: Der ästhetische Imperativ. Schriften zur Kunst, hrsg. von Peter Weibel, Hamburg 2007 (=Fundus-Bücher, Bd. 166), S. 105. 

7. Ebd., S. 110.  

8. Ebd., S.114.


9. Ebd., S.131. 238. 

10. Vgl. Wigley, Mark: Architektur und Dekonstruktion. Derridas Phantom, Basel 1994. 

11. Vgl. Adorno, Theodor W. : Kierkegaard. Konstruktion des Ästhetischen, Frankfurt am Main neue, und die Beil. erw. Ausg. 1962, S. 38-40 und S. 61-63.


12. Bachelard, Gaston: Die Poetik des Raumes, Frankfurt am Main 1987 (=Fischer Wissenschaft, Bd. 7396), S.30.


13. Botton, Alain de: Glück und Architektur. Von der Kunst, da- heim zu Hause zu sein, Frankfurt am Main 2010 (=Fischer- Taschenbuch, Bd. 17506), S. 107.


14. Vidler, Anthony: unHEIMlich. Über das Unbehagen in der modernen Architektur, Hamburg 1. Aufl. 2002.

15. Busch, Kathrin: „Befremdliche Räume“, in : Sic et Non. Zeit- schrift für Philosophie und Kultur im Netz, Heft 4, 2005, S. 3 (Online-Manuskript).


16. Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrneh- mung, Berlin 1966, S. 338.


17. Minkowski, Eugène: „Ansätze zu einer Psychopathologie des Raumes“, in: Ders.: Die gelebte Zeit, 2 Bde., Salzburg 1971/72, Bd. 2, Über den zeitlichen Aspekt psychopathologischer Phänomene, Salzburg 1972, S. 232 -267, hier: S. 238

18. Zit. nach Vidler (wie anm. 14), S. 143.


19. Vgl. Caillois, Roger: „Mimétisme et psychasthénie légedaire“, in: Minotaure 7 (Paris 1935), S.5-10.

 

 

 

 

Concerning bright and dark space

Stephan Berg 

“There are places that one can enter, but also places that one cannot enter, spaces within spaces about which one has no idea as to where or what they are for, even if one knows that something is there.” John Burnside: Glister1 

Heimsuchung is one of those enigmatic words that cause one to ponder whether language is, possibly only then in a radical sense, true and supportive of cognition when it disal- lows a clear-cut legibility, refrains from a definite meaning, and instead engenders ambiguities, paradoxes, and aporias. This assertion only seems unfounded as long as we choose to assume that the world surrounding us, the reality in which we live, is organized according to objectively established cri- teria and, as a transparent whole, that it lies before us open and unambiguous at all times. Legitimate doubts, however, exist precisely in this regard – and not only since the Enlight- enment, with its decree of the “release of humanity from its self-inflicted immaturity”, and its shifting of responsibility for the world and for its reasonable order from the divine realm to the level of the individual – especially inasmuch as the newly autonomous subject not only became empowered to a previ- ously unknown degree but was also to an equal extent fun- damentally overburdened. Since then, the subjective investi- gation of the world has always been both an impetus for the constant urge toward knowledge and cognition, and a process that repeatedly engenders out of itself its own impenetrability, the limits of the explicable. 

In its semantic fluctuation, HEIMsuchung articulates in this regard precisely this interconnection between self-reassur- ance, concerning the ego or the world, and radical doubt. The home (Heim) for which we search (suchen) has simultane- ously become a place by which we are haunted (heimgesucht). The space that is not only intended simply to offer us protection but also spatially configures our identity destabilizes us in the same breath. The search for home in which we are engaged not only engenders a homeland (Heimat) but also releases – armed with psychoanalytical weapons – the secret and surreptitious (heimlich) from its domestic (heimisch) context and thereby opens wide the doors for the ghosts of repressed elements. This exhibition is concerned with the ambiguity inherent to the experience of space, in relation to the most important and most precarious space with which we are familiar – namely the interior space in which we live. And it concerns the question as to how in particular this intimate cell, this – after our cloth- ing – third skin of our body, can become something potentially menacing and unstable, yet also the question as to whether this process of existential uncertainty with regard to space might also contain productive aspects, whether the shifting of the ground beneath us is today a precondition for redefining it for ourselves as new and necessarily gliding. 

We have found space to be a problem only since we are no longer able to conceive of it as a finite, unchanging, and objec- tive quantity. That is the way in which Aristotle described it. He proceeded from a fundamental distinction between place (topos) and space (chora). In this context, topos meant the place occupied by a limited body, whereas chora designated the space containing these places occupied by bodies. This definition of space became famous as the vessel metaphor in which the body as a “transferable site” is surrounded by space as “a sort of unmoving vessel.”2 In this respect, the body-site exists only through the space that surrounds it like a cover- ing. And the space, which in this respect is inherently finite, arises in turn out of the continuous, material substance of the sites occupied by bodies. Thus body-site and space mutually verify themselves in a manner that excludes a destabilization of space with respect to the objects located within it. Space, which nestles against and is slipped over the object as a “trans- ferable site,” is always connected with it and hence can never be fundamentally called into question. 

This constantly given connection between space and body- or object-sites is no longer valid in modern conceptions of space. The prerequisite is primarily the radical alteration of the view of the world through the natural sciences, which – in con- trast to the ancient notion of finite space bound to body-sites – posit an infinite, absolute space that exists independently of everything situated within it. This absolute space is extended by Albert Einstein into a non-Euclidian, four-dimensional space- time continuum, that is to say into a relational texture, which, in a fundamental sense, challenges the human being to estab- lish a relationship to it without ever again achieving a state of security in the cradling space of the ancient view of the world. 

Considered in terms of the history of philosophy, this pro-
cess of the change in our worldview effected by the natural
sciences is the basis for the development of the modern conceptof the subject. We observe its valid formulation by René Des-
cartes (1596–1650), whose rationalistic thought arises from
a radical concentration on his own self. His famous cogito, ergo
sum from the “Meditationes de prima Philosophia” (1641) is
not simply an assertion of the sovereign, self-decreed cogni-
tive capability of the subject. Instead, the sentence reveals at
least as much about the trepidation experienced by the ego
in a world that is in every respect more complex and ambigu-
ous. In other words, always present within the legitimization
of self-awareness postulated by Cartesian thought is a funda-
mental doubt with regard to the subject’s cognitive capabil-
ity. And this arises in turn from the knowledge that the model
of a meaningfully arranged world and of a stable coherence
between the ego and the space around it now lies entirely in
the hands of the subject that has granted itself this power. A
pessimistic evaluation of this recognition is expressed by Blaise
Pascal’s (1623–1662) dictum, “The eternal silence of these
infinite spaces makes me tremble.” 

On the other hand, Immanuel Kant (1724–1804) seeks to restore the subjective model of the world through a higher objectification of our existence in space and time in his “Cri- tique of Pure Reason” in which, proceeding from the questions “What are space and time? Are they real entities?” he reaches the conclusion, “Space is not an empirical notion derived from external experiences [...] but is instead a necessary concept a priori, which is the basis for all external perception [...] hence [...] the precondition for the possibility of appearances.”3 In other words, space—as the necessary precondition for our experience of the world—possesses an empirical reality. But at the same time, in relation to its noumenal nature, it is sim- ply a possibility of thought and is accordingly dependent on the subject engaged in the act of cognition. Thus space (along with time, which Kant handles in the same manner) becomes an inherently paradoxical quantity: on the one hand, as a form of pure perception, it is a product of subjective imagination, but on the other it possesses nonetheless a real quality a pri- ori. Kant introduces the notion of “transcendental ideality” to designate this contradictory connection and thereby indicates (unintentionally) a dilemma of his aesthetics, namely the tension between, on the one hand, a concept of space, which through its relation to the subject has in fact already become relational, and, on the other hand, the ideal of pure perception. 

A distant echo of this dichotomy between subjectively cre- ated and objectively given space may still be found in the phi- losophy of Martin Heidegger, namely in his “Remarks on Art, Sculpture, Space”, presented in 1964 as a lecture. Heidegger speaks here of an enspacing space, which is itself not abso- lutely given but, by means of the objects and sites enspaced within it, first comes to be articulated.4 Hence space becomes not merely a configuration that, dependent on its respective acts of enspacing, may repeatedly be conceived of differently and newly in temporal and historical terms. It also acquires a character of occurrence and activity, allowing it to be expe- rienced as the space of social interaction. Nonetheless, this phenomenology of sites and spaces derived from his “Sein und Zeit” insists on the fact that even if space may be experienced in no other manner than through the sites, objects, and human beings accorded within it, nonetheless the human being, for their part, does not produce this space. Instead space continues to possess a fundamental independence, as it were an a priori existence antecedent to its act of enspacing. 

This is perhaps also the basis for the “not-being-at-home”
with which in “Sein und Zeit” Heidegger describes the existential experience of being thrown into the world. The space
enspaced by respective subjects, sites, and objects ultimately
proves here to be non-controllable and independent. This not-
being-at-home applies to active subjects all the more in that
Freudian psychoanalysis also deprives them of the foundation
of securing their own egos. The uncanny (unheimlich) element
with which the subject is confronted subsequently lurks pre-
cisely in the familiar, in the structures of one’s own ego, whose
repressed aspects now thrust themselves back up to the surface and confront the ego with itself as something foreign. Also
relevant in this context is Heidegger’s remark that contained
as something structurally uncanny (unheimlich) in the word
geheimnisvoll (secret) is the capacity of the home (Heim) to
conceal (verheimlichen). 

It is this relationship that serves as the conceptual foun- dation for HEIMsuchung: on the one hand, there is a world- and life-space, which grows out of control and, in spite of its constantly strengthening connection to the subject, retains a potentially uncanny independence; on the other hand, there is the expulsion of the individual from previously given contexts and their exposure to insecurity. The subjective control of space and world, which the ego has attained over the course of history, endows it with a paradoxical, precarious space of movement. This is a space constituted by the real and mental movement of the subject through it just as it withdraws from the ego, which in any case can only conceive of itself systemati- cally as an Other, and asserts an impenetrable, independent existence. Thus the exhibition establishes its argumentation against the background of a crisis in the modernist experience of the subject, which at the latest since the end of the nine- teenth century, also as a consequence of industrialization and automation, has presented itself more acutely as a question with regard to the site and identity of the ego and today, in the context of an increasingly siteless information society, has attained even more explosive relevance. It is an aggravated dia- lectic of interior and exterior, which has impelled and simulta- neously perplexed at least our Western societies since the onset of modernism. Not only have they called into question the con- viction of being able to dominate the exterior (the world) as well as the interior (the self), but they also seem to have lost to a large extent the possibility of productively regulating the mutual relationship of both areas. 

In his 1886 work on the analysis of sentiments, Ernst Mach writes, “On a clear summer day under the open sky, the world appeared to me all at once, together with my self, as a coherent mass of sentiments.”5 He thereby reiterates the moment of merging in which space and self combine felicitously. But it is significant that this is not a continuous experience but instead an impressionistically rendered instant in which the dichotomy between desecuritized subjects and desecuritized spaces is canceled. This description thereby resembles the moment when the first-person narrator in Marcel Proust’s “Remembrance of Things Past” rediscovers, while drinking tea, in the taste of a pastry his lost memory as a “mémoire involontaire”, that is to say as a memory that is not available to the subject. Only the inaccessible moment brings together once again space, time, and self, interior and exterior, but this no longer occurs in the sense of a structural openness of the world, which, if we just gaze upon it long enough, presents to us “always the relevant universe in self-sufficient wholeness.”6 This totality is replaced by a radical doubt and a mistrust with regard to all sensory data which, under the conditions of a virtual world of simula- cra, has once more increased significantly. In his essay “Der ästhetische Imperativ”, (The Aesthetic Imperative) Peter Sloterdijk conceives of the two fundamental philosophical possibilities of thinking of the world as white or black space. White space would be the equivalent of a world that is always completely present for the subject and is created by an Olympian god who has left us nothing more to do than to thankfully complete that which has already come to light and been resolved. The black space, on the other hand, means a recognition of the fact that the world is not already pres- ent as a given but must constantly be “predicted, constructed, built.”7 Thus the black space indicates the paradigm of the scientific and philosophical creation of the world. This is the space in which the self-appointed subject celebrates itself as creator and interpreter of its world. Expressed in structural terms, in such a way the interior (the ego) creates the exterior (the world) and simultaneously attests to the interconnection between the two spheres. During those historical phases, however, when the self-interpretation of the world collides with experiences in which not the congruence between the subject and its world-space but the feeling of displacement, of dislocation, is predominant, the black space darkens into a subjectgenerated interpretation of the world as a “black box” that causes the world “to appear toto genere as impenetrable.”8 

This path from the white space to the black space, and from there to the “black box”, is relevant for our theme to the extent that it makes clear that the process of modernism is to be read not only as one of enlightenment, of an ongoing, self-induced attainment of world and meaning, but also as a process of obfuscation, of overshadowing, of increasing impenetrability. Sloterdijk’s reading of the “black box” sets a “history of the resignation of intelligence” in opposition to both the phenomeno- logical optimism that reality spontaneously explains itself and the scientific conviction that every significatory context arises because it is first created by us. According to this reading, we are surrounded by black-box systems whose actual impetus can no longer be identified. The relationship between outer and inner thereby grows even more pointed. The less we understand such complex machines as computers or smartphones, by means of which we seemingly dominate the world, the more the interfaces they offer us become smooth, user-friendly, and erotic. With these machines, there is basically now only an exte- rior and no interior.9 

It may easily be understood that the enhancement of
a smooth, user-friendly exterior going hand-in-hand with a
darkening impenetrability of its interior has decisively supported the search of the subject for an interior that is completely explicable and possessable. This tendency has been
described in recent decades with such catchwords as “a new
Biedermeier era,” “cocooning,” or “withdrawal into the private
sphere.” From this point of view, the interior of the private
residence could be seen as an attempt to negate the world as a
black-box system through the creation of a special, individual
world that conforms to the rules of a congruence between interior and exterior. But as has been explained above, the dichotomy between the ego and the world can no longer be canceled
in this simple manner. The house, one’s own domicile, whose
demarcation vis-à-vis the external world is described by the
architectural theoretician Mark Wigley in the sense of Jacques
Derrida as a mechanism of taming, of domestication,10 has
lost its protective function: Firstly because the dividing line
between outer and inner is becoming increasingly blurred; the
private penetrates the public more and more, and vice versa.
And the transparent architecture of glass and steel, having
arisen beneath the constellation of a second modernism, works
in its own way toward an erasure of the border between exter-
nal and internal. Secondly because the fissure has now come
to run through the individual himself. The home as a physi-cal covering for the self has itself become an endangered and
potentially endangering zone. 

The degree to which the aspect of destabilization has entered our residential fortresses is demonstrated not least of all by the numerous attempts to defend interior space as a place of pure happiness and pre-established harmony. Relevant in this context, for example, are Søren Kierkegaard’s elucidations concerning the interior, which Theodor W. Adorno criticizes as the manifestation of an “objectless inwardness” that finds its fulfillment within itself because it has deemed everything external to be illusory.11 Gaston Bachelard, too, considers the interior to be a space of snug security. In his phenomenological “The Poetics of Space” from 1957, he asks, “Is it possible to identify, on the basis of all the houses in which we have dreamed about residing, an intimate and concrete essential- ity that would be a justification of the unique value of all our images of protected inwardness?”12 His affectionate investiga- tions of spaces, cupboards, and drawers not only emphasize the secure situation of the self in these manifold integuments but also constitute a sort of gentle exorcism of the terrors of psychoanalysis, which now, after the outer world has already been suffused with insecurity, transforms our own inner world into an incomprehensible and menacing labyrinth. In his book “The Architecture of Happiness” (2006), Alain de Botton also argues in a similar direction and searches for “buildings [...] which present before our eyes a helpful vision of ourselves, like a psychological replica.”13 Anthony Vidler offers an opposite view with his extensive study on the terrors and uncanniness of architecture, which not only makes the Freudian concept of the uncanny the central focus of his considerations but also relates it directly to the process of modernism and the history of modern architecture, especially with regard to the Bauhaus and Le Corbusier. In his opinion, the very endeavor to exclude all irrational elements from modern spaces, the dominance of transparency, logic, and geometry, has imparted a new viru- lence to the uncanny, incomprehensible, and impenetrable. Thus bright and dark spaces appear to be linked dialectically with each other, as a recognition of the insistent presence of the one in the other. This gives rise to an interesting perspec- tive on the horizon, namely the possibility of considering the heretofore discussed dark, black spaces not only as spaces of insecurity, as spaces of illness,15 “with a dizzying proximity
of objects, an intertwining of human beings and the world,”16
 but also as a productive challenge. The French psychiatrist and
philosopher Eugène Minkowski, for example, argues in terms
of this sort of dialectic. In his “Psychopathologie des Raumes”
from 1933, he distinguishes the bright space in which everything is accessible, with no exception, from the “black space,”
which he sees as a living structure that, although it possesses
no visible depth and no visible extension, is nonetheless expe-
rienced as deep and allembracing.17 This space, which tightly
and materially surrounds the ego, is not only a zone of passivity and terror for it; it also enables the ego to have an elemen-
tary experience: whereas the bright space is thrust aside by the
materiality of the objects and subjects and almost disappears,
 the darkness soaks them up, “it directly touches the individual, envelops him, penetrates him, and even passes all the way
through him. Thus the ego is permeable for darkness, but not
for light.”18 

In these dark spaces, we seem to return in a paradoxical manner to the Aristotelian space, which, like a vessel, firmly surrounds the body as a transferable site. But the point of departure has changed radically. Aristotle posited a given per se, finite space, which was verified by the bodysites located within it just as it simultaneously made them possible. The black space about which Minkowski speaks, on the other hand, is precisely a space that could only arise under the conditions of incom- prehensibility, autonomy, and depersonalization. Interestingly, it is this menaced and menacing space to which Minkowski attributes a productive potential for the subject. Instead of the negatively evaluated intertwining of human being and world, the subject experiences within it a veritable “seduction by space.”19 In contrast to the established, allilluminating clarity of the bright space, the black space becomes the space of experience, precisely because it does not respect the borders of the subject, its inner space, its interior, but instead forces its way within, enters into a hybrid state with the subject. From this point of view, we would first have to experience an existential uncanniness before we can experience ourselves in a truly productive manner and can develop ourselves. Or in other words, the home which we seek can only offer us protection when we recognize that we are, in fact, utterly unprotected.

 

* The text appeared on the occasion of the exhibition “HEIMsuchung - Unsichere Räume in der Kunst der Gegenwart” in the art museum of Bonn in May, 2013. With friendly approval of the curator's Stephan Berg.

 

 

 

Anmerkungen /Annotations:

1. Burnside, John: Glister, München 2009, S. 74.


2. Aristoteles: „Physikalische Vorlesung“, in: Ders.: Die Lehr- schriften, 30 Bde., hrsg.,übertr. und in ihrer Entstehung erl. von Paul Gohlke, Paderborn 1947-61, Bd 4/1 Physikalische Vorlesung, Paderborn 1956, S. 38.


3. Kant, Immanuel: Immanuel Kants Werke, hrsg. von Ernst Cassirer, 10 Bde., Berlin 1912-22, Bd. 3, Kritik der reinen Vernunft, Berlin 1913, S. 58.


4. Vgl. Heidegger, Martin: Bemerkungen zu Kunst, Plastik, Raum, St. Gallen 1996, S. 13.


5. Mach, Ernst: Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen, Jena, 3. verm. Aufl. 1902, S. 23.


6. Sloterdijk, Peter: Der ästhetische Imperativ. Schriften zur Kunst, hrsg. von Peter Weibel, Hamburg 2007 (=Fundus-Bücher, Bd. 166), S. 105. 

7. Ebd., S. 110.  

8. Ebd., S.114.


9. Ebd., S.131. 238. 

10. Vgl. Wigley, Mark: Architektur und Dekonstruktion. Derridas Phantom, Basel 1994. 

11. Vgl. Adorno, Theodor W. : Kierkegaard. Konstruktion des Ästhetischen, Frankfurt am Main neue, und die Beil. erw. Ausg. 1962, S. 38-40 und S. 61-63.


12. Bachelard, Gaston: Die Poetik des Raumes, Frankfurt am Main 1987 (=Fischer Wissenschaft, Bd. 7396), S.30.


13. Botton, Alain de: Glück und Architektur. Von der Kunst, da- heim zu Hause zu sein, Frankfurt am Main 2010 (=Fischer- Taschenbuch, Bd. 17506), S. 107.


14. Vidler, Anthony: unHEIMlich. Über das Unbehagen in der modernen Architektur, Hamburg 1. Aufl. 2002.

15. Busch, Kathrin: „Befremdliche Räume“, in : Sic et Non. Zeit- schrift für Philosophie und Kultur im Netz, Heft 4, 2005, S. 3 (Online-Manuskript).


16. Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrneh- mung, Berlin 1966, S. 338.


17. Minkowski, Eugène: „Ansätze zu einer Psychopathologie des Raumes“, in: Ders.: Die gelebte Zeit, 2 Bde., Salzburg 1971/72, Bd. 2, Über den zeitlichen Aspekt psychopathologischer Phänomene, Salzburg 1972, S. 232 -267, hier: S. 238

18. Zit. nach Vidler (wie anm. 14), S. 143.


19. Vgl. Caillois, Roger: „Mimétisme et psychasthénie légedaire“, in: Minotaure 7 (Paris 1935), S.5-10. 

 

 

FROM BELOW (deutsch)

 

 

Michael H. Rohde FROM BELOW

 

Zentralperspektivisch geschult ringt das Auge um Orientierung. In der Werkserie FROM BELOW von Michael H. Rohde ist ein Fluchtpunkt zwar klar zu fokussieren, dient aber anstelle der wohlfeilen Aufteilung der Bildfläche eher seiner Destabilisierung. Rohdes utopischen Raumansichten fordern unsere Wahrnehmung auf kühne Weise heraus. Die nur in einer mathematisch-logischen Perspektividee verortbare Sicht des Raumes von unterhalb des Bodens erscheint verständlich, zieht sich aber sogleich wieder in eine eigendynamische und von jeglichem ordnenden Orientierungssystem befreite Ästhetik zurück. Die eigentlich unmögliche Totalansicht des Raumes von unten und die fehlende gewohnte Bildordnung eines Motivs in verschiedene Bildgründe lassen Möbel und andere Gegenstände schwerelos erscheinen, so als schwebten und stürzten sie zugleich durch den Raum. Gestützt werden sie nur durch den aufmerksamen Blick des Betrachters, der sich gegen das suggestiv auf ihn einstürzende Rauminnere zu wehren versucht.

Rohde verleiht dem Raum mit seiner ungewöhnlichen Komposition somit eine von Verzerrung, stetiger Desorientierung und Loslösung geprägte Magie. Denn der Blick versucht unentwegt, eine einheitliche Sicht zu konstruieren und verstärkt letztlich dadurch das Eigenleben der Bildgegenstände, ganz im Widersinn zur Hirnfunktion, die im Sinne einer Generierens einer festen Raumordnung stets nach Eindeutigkeit strebt und versucht, jeden Raum als begehbar zu deklarieren. Die Werke Rohdes erfinden aber eine Sicht eines Raumes, die denselben nur als rein ästhetisches Erlebnis proklamiert. Ameisengleich versucht das Bewusstsein, den Raum in Gedanken zu beschreiten. Der Künstler entzieht uns die Fläche, auf der selbst das kriechende Insekt ins Bodenlose zu verschwinden droht. Die Schwerkraft scheint in Rohdes Fotografien umprogrammiert, denn der Untergrund, der ansonsten die Wohnung trägt, ist ersetzt durch die unentwegte Orientierungssuche, durch die das Bewusstsein den Raum im Lot zu halten versucht.

Der Betrachtung wird gewissermaßen der Grund entzogen. Die verstärkten Raumfluchten führen die Bildordnung eines in die Ferne eingebetteten Motivs ad adsurdum, weil ja der Betrachter selbst ins kompositorische Zentrum gerückt ist, ohne überhaupt anwesend zu sein. Die Konstanz der Dinge im alltäglichen Raum gerät durch diese Sogwirkung zu einer bedrohlichen Instanz. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Beobachtung von unten wie ein allgegenwärtiger Observer zu verstehen ist, der aufgrund seiner rein ideellen Anwesenheit letztlich auf eine omnipräsente, latente Selbstbeobachtung verweist.

 Uwe Goldenstein BSA (Berlin Selected Artists) 2010
 

FROM BELOW (english)


Trained on centralize perspectives, the eye struggles for orientation. The work series FROM BELOW by Michael H. Rohde does offer a vanishing point to clearly focus on. However, instead of providing a reasonable arrangement of the picture, it rather contributes to its destabilization. Rohde’s utopian views of interior spaces keenly challenge our perception. The view of the room from below the floor, to be determined only by a mathematically logical concept of perception, at first appears to be easily comprehensible. But then it quickly withdraws itself into a self-contained aesthetic, dynamic in its own right and free of any structuring orientation system.

The virtually impossible total view of a room from down below and the lack of a well-familiar structuring of the motif into different picture surfaces render the furniture and other objects weightless. They appear to be floating and tumbling through the space as though denying gravity. Merely the alert view of the observer supports them as it tries to defend itself against the suggestive collapsing of the room’s interior.

With his unusual composition, Rohde lends the room a captivating atmosphere, characterized by distortion, constant disorientation and disengagement. Though the viewer’s eye incessantly attempts to construct a consistent perspective, it actually reinforces the peculiar independent existence of the picture’s subjects. This occurs entirely against the brain’s habitual functioning, which, for the purpose of generating soundly structured space, generally strives towards clearness and tries to declare any room as physically accessible.

Rohde’s works have invented a perspective of spaces that proclaims the latter to be a purely aesthetic experience. In an ant-like state, consciousness tries to enter the room intellectually. The artist deprives us of the solid surface, without which even the crawling insect threatens to disappear into a bottomless void. It seems that, in Rohde’s photographs, gravity has been reprogrammed: The ground that usually bears the apartment has been exchanged by an incessant search for orientation, an attempt of consciousness to keep the space in balance.

In a sense, the observer’s point of view is being undermined. The extended vanishing points lead the picture’s array of a motif embedded in remoteness into the absurd, because the observer himself is situated in the center of the composition without actually being present. Through this pulling effect, the permanence of objects in an every-day space turns into a threatening entity. Even more so if one considers that the observation from below is understood as a ubiquitous observer, who, in view of his purely idealistic presence, is ultimately referring to an omnipresent, latent self-observation.

 Uwe Goldenstein BSA (Berlin Selected Artists) 2010
 

Jeder Mensch ist ein Kosmos - Jean-Christophe Ammann

 

Jean-Christophe Ammann über Malerei und Lebensraum


Malerei ist heute das Schwirigste, und zwar die gegenständliche, die figürliche Malerei. Nicht die zurückgewandte Malerei, sondern die aus einem Denken, einem Bewusstsein, einem umfassenden und übergreifenden Gespür für die Gegenwart heraus entwickelte Malerei. Die gegenständliche Malerei setzt ein räumliches Verständnis, ja eine Intuition für den Raum voraus: für den eigenen emotionalen Resonanzraum zum einen, für die Dreidimensionalität des Raumes zum anderen. Ich betone dies deshalb, weil die flache, zweidimensionale Bildschirmwahrnehmung so unverhältnismäßig stark unsere Wahrnehmung allgemein verändert und verändert hat: eine subversive, gleichsam subkutane Veränderung, der man sich gar nicht bewusst ist. Das hat nicht zuletzt auch gesellschaftspolitische Folgen, weil die in den öffentlichen Raum projizierte Flachheit der Wahrnehmung fatale Konsequenzen nach sich zieht: "Flache" Probleme werden "real" interpretiert, jedoch ohne dass sie einen realen Gehalt aufzuweisen hätten. Der Neurobiologe Wolf Singer hat es sinngemäß einmal so formuliert: Wolle man der Bildungsmisere Herr werden, müsste man die Gehälterskala umkehren. Am wenigsten würden dann die Professoren verdienen. Damit meinte er keineswegs eine Rückkehr zum "real existierenden Sozialismus". Er wollte damit nur der Praxisferne von Bildungs- und Ausbildungsmodellen Ausdruck geben. Anders ausgedrückt: Wo der Mensch (das Kind) der intensivsten und nachhaltigsten Betreuung bedarf, gerade dort sind die dafür zuständigen Protagonisten und Institutionen sowohl finanziell und qualitativ am schlechtesten ausgestattet. Der Lebensraum meint eben nicht dessen medialisiertes Surrogat. Die Flut von Bildern, die auf uns eindringt, kann nie und nimmer die eigenen Bilder und das eigene Begehren ersetzen. Man verstehe mich richtig: Mir liegt nichts an einer Abwehrhaltung. Wichtig scheint mir das Erlernen des Umgangs mit einem Informations-, Wissens- und Bilder-angebot, wie es in solcher Dichte und Zugänglichkeit noch nie existiert hat. Die beliebige Abrufbarkeit von Wissen kann niemals dessen Erfahrung ersetzen. Die Abrufbarkeit von Wissen ist "flach". Dessen Erfahrung ist räumlich. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Maler erhält den Auftrag, einen bedeutenden Sammler und Unternehmer zu malen. Er bittet den Mann, ihm täglich, über einen längeren Zeitraum, zwei Stunden Modell zu sitzen. Der Auftraggeber winkt ab: Er sitze fast täglich im Flugzeug. Also bleibt dem Maler nichts anderes übrig, als sein Modell mittels eines Fotos derart zu malen, dass man in der Folge den Eindruck erhält, er sei ihm, dem Maler, tatsächlich Modell gesessen. In Wirklichkeit bemächtigt sich der Maler einer im Ausdruck, Licht und Form gleichbleibenden Fläche. Gesteht nun aber der Gemalte dem Maler die täglichen zwei Stunden zu, ereignet sich etwas ganz anderes. Der Ausdruck, die Stimmung, das Licht, die tägliche Laune beiderseits - all das wird einer ständigen Veränderung unterworfen. Es geht hier nicht um ein Problem der unmittelbaren Ähnlichkeit. Es geht um den realen Raum "dazwischen". Der Bildhauer und Maler Alberto Giacometti hat das Problem einmal wie folgt beschrieben: "Es ist der Raum, den man gräbt, um den Gegenstand [das Modell] zu schaffen, und im Gegenzug schafft der Gegenstand [das Modell] den Raum. Es ist der Raum selbst, der sich zwischen dem Modell und dem Bildhauer befindet." Als der französische Künstler Paul Cézanne seinen Galeristen Ambroise Vollard über 100 Stunden lang gemalt hatte und dieser bemängelte, es gäbe da noch einige unbearbeitete Stellen, welche die nackte Leinwand zeigten, meinte Cézanne, er müsse jetzt zuerst in den Louvre, sich ei-nige Bilder anschauen. Danach gäbe es zwei Möglichkeiten: Entweder würde er die Stellen ausmalen, oder er müsse ein neues Porträt von ihm beginnen. Ambroise Vollard, der viel Beschäftigte, "bekreuzigte" sich. Die Leerstellen sind uns bis heute überliefert. Was ich sagen will: Es geht keineswegs darum, einer "alterthümlichen" Vorgehensweise erneut den Weg zu ebnen. Auch wenn uns dies Lucian Freud im vollen Bewusstsein seines gegenwärtigen Handelns grandios und souverän vor Augen führt - deshalb wäre eine Ausstellung von Freud und Giacometti so aufschlussreich -, es geht vielmehr darum, den Raum "dazwischen" nicht zu erfinden, sondern existenziell neu zu entdecken. Letztlich ist dieser Raum keineswegs allein auf die Malerei bezogen. Er zeigt sich in der Fotografie, in Film und Video gleicherma-ßen, dann, wenn eben nicht das Dokument, sondern das Bild, die exi-stenzielle Radikalität im Vordergrund steht. Bei jüngeren Malern erkennt man rasch, ob sie eine räumliche Sicht-weise besitzen oder nicht. Wäre ich heute Lehrer an einer Akademie, würde ich das Zeichnen nach Modell jedem Studenten bis zum letzten Semester abverlangen, unabhängig davon, für welches Medium er sich letztendlich entscheidet. Das Zeichnen nach Modell impliziert die Langsamkeit, das konzentrierte, originäre Schauen, die Anschauung. Auf zwei jüngere Maler möchte ich hier kurz hinweisen: Der eine ist Matthias Weischer ( Jahrgang 1973). Seine Architekturbilder und Inte-rieurs wachsen Schicht für Schicht aus einem virtuell konzipierten Raum heraus, perspektivisch und aperspektivisch, konstruktiv und frei zugleich. So entsteht eine kompakte, sinnliche Malerei, die sich über die verschiedenen Bedeutungs-, Sinn- und Funktionsebenen gleichsam selbst auflädt. Tilo Baumgärtel (Jahrgang 1972) ist motivisch völlig ungebunden. Die Malerei ist dünnflüssig, das Licht kann dramatisch, diffus und kalt sein, aber auch nächtlich und grünlich. Es ist, als würde Baumgärtel in Umkehrschlüssen denken, dabei feststellen, dass der Hinweg mit dem Rückweg nicht kompatibel ist und dies als eine befremdliche Zäsur erleben. Er staunt mit den Menschen, die er malt, die oft Dinge tun, die einem eher im Traum begegnen. Er staunt in das Licht hinein, das sich zu halluzinierenden Gegenständen verdichtet. Die Rede von der Malerei meint kein "Trendsetting". So etwas läge mir fern. Aber sie weist uns den Weg vom "Dokumentarischen" weg, hin zu den Inhalten. Unter Inhalten wäre dann zu verstehen, dass jeder Mensch ein Kosmos und nicht ein Vernetzungsprodukt ist. Dass jeder Mensch seine Sicht und sein Begehren in die Welt trägt und dadurch Welt konstituiert, beispielhaft als Künstler. Dass Wandel zwar Kontinui-tät garantiert, aber auch umgekehrt: Erst Kontinuität ermöglicht den Wandel. Auf die Kunst bezogen, plädiere ich für eine Kontinuität, die dem Wandel nachhaltig eine Chance gibt. Insofern ist die gegenständliche Malerei eine Einübung in die anthropologische, Zeit und Raum durchdringende Konstante.

 

Kunstzeitung, Ausgabe Nr.75 / November 2002, Seite15

 

titel "skull" *

 

"skull" * = Schädel
 Der Titel ist abgeleitet von Samuel Beckets Interpretation unserer Wahrnehmung von der (bzw. unserer) Welt als Projektion und Imagination der eigenen Vergangenheit.

 * Literaturhinweis:

Englisches Drama von Becket bis Bond   (Analyse von Marianne Kesting)  

Kapitel: Samuel Beckett: Endgame (Endzeit und Schädelprojektion)

Wilhelm Fink Verlag, München 1982 ISBN 3-7705-2037-8

 

 

engl.


"skull" *

The titel is deducted of Samuel Beckets interpretation of our perception of the (our) world as a projection and imagination of our own background.

 

* reference

Book: Englisches Drama von Becket bis Bond  

Analyse of Marianne Kesting

Chapter:   Samuel Beckett: Endgame (end time and skullprojection)  

Wilhelm Fink Verlag, München 1982 ISBN 3-7705-2037-8